Ich verlasse das Tal und bin unterwegs und plötzlich treffe ich Albert Camus mitten auf der Straße wieder:
„Das Gefühl der Absurdität kann an jeder bliebigen Straßenecke jeden beliebigen Menschen anspringen. Es ist in seiner trostlosen Nacktheit, in seinem glanzlosen Licht nicht zu fassen.“
Ich war als Flaneur unterwegs. Köln liegt näher, lohnt sich aber nicht fotografisch und zum Flanieren. Als ich in Wuppertal in den Zug einstieg und in Leipzig aus dem Zug ausstieg, begegnete mir schon das Flair dieser wunderbaren freundlichen verzierten Stadt.

Die Innenstadt von Leipzig lädt schon direkt außerhalb des Bahnhofs überall zum Sitzen und Flanieren ein.
In Leipzig vergeht die Hektik, in Köln nimmt sie beim Gehen in der Innenstadt ununterbrochen zu, weil es überall eng und ohne Architektur zum Verweilen ist und nie ausreichend Platz für das Verlassen der Masse ist. In Köln fühlt man sich umlauert, in Leipzig umgeben von Menschen, Köln drängt mich zum Verlassen, Leipzig lädt mich zum Verweilen ein.
Und ganz persönlich will ich noch sagen, in Wuppertal ist für mich Elberfeld ein Ersatz für das Zentrum einer kleineren Stadt wie es früher einmal Remscheid war, da Remscheid quasi gar keine Innenstadt mehr hat und ein echtes Geschäftsleben zum Bummeln nur noch in Elberfeld stattfindet.
Und wenn man dann in Wuppertal einsteigt und in Leipzig aussteigt, ist es so, als ob man wieder in Deutschland mit einer menschenfreundlichen Architektur, Tradition und Schick angekommen ist, denn Leipzig bietet Platz selbst um Hochhäuser. Vielleicht ändert sich das, wenn der Baumboom anhält, aber jetzt spürt man hier noch das Recht auch auf körperliche und mentale Freiheit statt Bedrängnis.
Für mich ist die Stadt der Flaneure in Deutschland in alter Tradition heute Leipzig. Mit über 30 Passagen in der Innenstadt, die aus früheren Zeiten stammend alle wunderbar restauriert wurden, hat sich an diesem Ort die Welt mit alter Pracht neu entwickelt.
Und auch große Einkaufzentren wie die Brühlschen Höfe bieten überall Platz zum Verweilen und Sitzen und saubere Toiletten ohne Serways oder den Zwang für jeden Atemzug zu bezahlen. Man kommt zur Ruhe und zur Lust, die Läden zu entdecken.
Hier ist der dialektische Umschlag erfolgt über den Walter Benjamin schrieb: „Architektur als wichtigstes Zeugnis der latenten ‚Mythologie’. Und die wichtigste Architektur des 19. Jahrhunderts ist die Passage. – Versuch, aus einem Traum zu erwachen als bestes Beispiel des dialektischen Umschlagens.“
So war ich unterwegs und erlebte beim Flanieren direkt nach einer Straßenecke wieder die trostlose Nacktheit der Absurdität des Lebens.
Die ist überall auf der Welt zu finden, also auch in Leipzig.
Ausgerechnet hier traf sie mich. Vielleicht weil ich sie in dieser schönen Umgebung eher zulassen konnte?
Wie kann man dieses Gefühl ausdrücken?
Ich drücke mich mittlerweile zuerst oft fotografisch aus, weil es eigentlich ein sprachloser Vorgang ist, der mir nur visuell gelingt, da mir zunächst die Worte fehlten.
So schaffe ich es, dem Geschehen und dem inneren Erleben einen Rahmen zu geben und die äußeren Möglichkeiten festzuhalten, die das Innere ausdrücken bevor ich es später (vielleicht) auch in Worte fassen kann.
Es ist weder Leben mit der Fotografie noch Fotografie als Leben. Es ist das Notieren mit der Kamera so wie ich sonst mit Stift und Papier hantiere. Nicht jedes Foto sagt mehr als tausend Worte aber mir hilft ein Foto, das dem Erleben einen Rahmen gibt, etwas festzuhalten und oft schaffe ich es dann hinterher dieses in Worte zu fassen.
Und so entstand mein Zusammentreffen mit Albert Camus in Leipzig.
Ich begegnete ihm mit seiner Absurdität und seinem Partner Sisyphos, die direkt auf mich zukamen und mir die Hand schüttelten.
So schnell vergehen zehn Jahre. Wir erinnerten uns an alte Zeiten und alles war wieder da und bestimmt seitdem mein Denken so wie früher.
Und daraus enstand die fotografische Umsetzung dieser Momente über Camus, Sisyphos und mich.
Es war mir nur möglich, mich fotografisch monochrom auszudrücken. Schwarzweiss gibt mir in diesen Fragen die Distanz, um zu erfassen und auszudrücken, Dinge zu umrahmen und festzuhalten.
Das Layout der Webseite, die ich dazu erstellt habe, ist bewußt so gewählt. Der weisse Bereich symbolisiert meinen Weg, meinen Blick, den roten Faden. Die Fotos darauf wirken so eckig, weil es die Wirkungen waren und sind, die ich sah und spürte. Die Texte sind linienüberschreitend, weil es so ist, wenn man unterwegs ist. Der Weg ist nicht die Straße sondern der Weg ist die Spur, der ich folge.
Das Ganze ist „eckig“ weil es sich auch so anfühlt. Es ist online und frei zu besichtigen aber es paßt sich nicht an.
Es verweigert sich google und anderen Suchmaschinen ganz bewußt, weil es eben nicht ein mobiles Layout für ein gutes Google-Ranking beinhaltet sondern das Layout statisch ist und so ist wie es für diese Darstellung sein soll.
Ist es mein Es?
Diese monochrome Art der Annäherung an die Absurdität beim Flanieren ist mein Ausdruck der Begegnung.
Vielleicht wirkt es auch auf Sie und wenn wie? Sie finden diese fotografische Begegnung hier?
An der Architektur erkennt man die Menschen im Lande.