Carmela Thiele hat am 22.08.2008 einen Nachruf zum 100. Geburtstag von Henri Cartier-Bresson verfaßt:
„Viele Autoren rühmten die harmonischen, bildhaften Kompositionen der Momentaufnahmen von Cartier-Bresson. Es sind jedoch die Dissonanzen, die sein Werk zu etwas Besonderem machen. So fotografierte der Franzose die Skyline von Manhattan mit halb verfallenen Docks im Vordergrund oder in einer New Yorker Häuserspalte einen Mann, der wie gebannt einer Katze gegenübersitzt. Letztendlich waren es aber die historischen Umbrüche, das Ende des Zweiten Weltkriegs oder die Geburt des kommunistischen China – und womöglich die Barbarei des Lagers –, die den Künstler Cartier-Bresson für ein paar Jahrzehnte in einen engagierten Fotoreporter verwandelten. Danach wurde der Mann mit der Leica wieder Maler und Zeichner, bis er 2004 im Alter von 94 Jahren starb.“

Sie hat hier sehr schön seine Entwicklung beschrieben.
Damit aber nicht genug.
Der Meister der Geometrie in der modernen Fotografie benutzt diese Art der Gestaltung, um uns die Vulgarität der Konsumgesellschaft zu zeigen und die Unwirtlichkeit unserer Städte.
Natürlich nicht nur aber eben auch…
Er hat sogar einen Bruder im Geiste so wie Yin und Yang – Martin Parr.
Und so wie Cartier-Bresson und Martin Parr glaubten in zwei verschiedenen Welten zu sein, genau so fotografierten und fotografieren beide auf ihre jeweils eigene Art diese Dissonanzen.
Cartier-Bresson zeigt Dissonanzen auf monochrome Art und nutzt dabei die Geometrie als Gestaltungsmittel.
Martin Parr geht noch einen Schritt weiter.
Er macht in Farbe, weil die moderne Konsumgesellschaft in Farbe ist und er nutzt die Mittel der plakativen Propaganda der Konsumgesellschaft, um uns die Konsumgesellschaft zu zeigen.
Und auch er hat eine Geometrie, die zentrierte und plakative Orientierung, die sofort zeigt, was sie meint.
Beide fotografieren Paradoxie und Dissonanz als Merkmal echter Welterfahrung!
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