1999 fing alles an. Da war der manifeste Übergang vom Text zum Bild. Da machte ich mit der Internetadresse solidaritaet.de erste Projekte und es wurde deutlich, daß am Bildschirm Fotos wichtiger sind als reine Texte.
Der Übergang dauerte ca. sieben Jahre.
2007 begann ich mit dem Projekt fotomonat.
Ich wollte regelmäßig etwas zur Fotografie schreiben und zeigen, deshalb fotomonat.de.
Daraus entwickelte sich schnell die Frage, was es denn sein sollte, ein Container für alles oder eine sortierte Sammlung, alt oder neu, alle Stile oder spezielle Stile?
Die Praxis stellt immer die Fragen auf, die zu lösen sind.
Je nach Fragestellung kaufte ich entsprechende de Domains dazu, das war dann mein Hobby statt Essen zu gehen.
Einerseits hatte ich zu dieser Zeit schon Erfahrungen in der Dokumentation sozialer Entwicklungen, andererseits wollte ich auch meine eigenen Lebensprobleme irgendwie besser bewältigen, indem ich denken, handeln, reflektieren und fotografieren als aktives soziales Tun umsetzte und ich wollte wissen, was in der fotografischen Community los ist. Es war eine Zeit, in der man noch den Anspruch hatte, wesentliche Entwicklungen zu überschauen.
Manches wollte ich auch ausdrücken und nicht nur aufschreiben, weil Worte allein zwar notwendig aber nicht immer ausreichend sind.
So fing dann meine Werkstatt des Lebens mit Philosophie und Fotografie an zu wachsen zwischen Lachen und Weinen, Lust und Leiden.
Fotomonat wuchs und wuchs (angefangen habe ich mit 30 visits pro Monat, 2020 hat das Gesamtprojekt ca. 250.000 visits pro Monat von Menschen, die aus Sachinteresse suchen und lesen und über Suchmaschinen kommen).
Vor allem waren und sind es nur eigene Artikel mit echten Fragestellungen aus der Praxis. Ich nahm Gastautoren hinzu, aber diese wollten ein, zwei, drei Artikel schreiben und dann war es meistens vorbei.
2010 war der Punkt erreicht an dem ich Schwerpunkte bildete: Konfliktfotografie, Dokumentarfotografie und Kunstfotografie.
Damit hatte ich trotz Überlappungen ein inhaltliches Schema gefunden, das real anzuwenden ist und funktioniert.
Es funktioniert bis heute und es gelang mir, deutschsprachige Blogs zu entwickeln, die heute eine Fülle kaum noch aufzufindender Themen zeigen, die es eigentlich wert sind, gerade in der Gegenwart nicht vergessen zu werden sondern als Hilfe im Jetzt zu dienen.
Weil der Mensch aber ein Mensch ist, ging auch an mir das Leben nicht spurlos vorbei, sondern legte mir große Prüfungen auf – leider waren keine Lottogewinne dabei.
In mir wuchs daher auch verstärkt in solchen Phasen das Gefühl, existent zu sein und dies ausdrücken zu wollen. Essen, Trinken und Sex reicht mir nicht als Ausdruck des Menschseins, weil es nur den animalischen Teil ausfüllt.
Daher stellte ich mir selbst einige Aufgaben.
Die erste bestand darin, möglichst täglich ein Foto zu machen von der Welt um mich herum. So entstand der Blog bergischer.bildermonat.de.
Es waren ca. drei Jahre, die sich so im Rückblick ergaben von 2012 bis 2014. Wie gesagt, es funktionierte mit Unterbrechungen und ich lernte dabei sehr viel. Einerseits natürlich über die Kameras und das Fotografieren beim Ausprobieren, andererseits aber auch über zeitliche Veränderungen.
Während ich selbst mein Sehen durch dauerhaftes Training beim Suchen von Motiven und Situationen formte, erwuchs aus den gesammelten Fotos ebenfalls etwas Neues.
Mir war vorher nicht so bewußt, wie schnell und vielfältig sich soziale Landschaften ändern. Die Werbung weiß das schon länger. Wenn wir alle paar Wochen neue Plakate sehen und neue Werbung und neue Themen, dann nehmen wir das zwar unterschwellig auf aber bemerken es bewußt kaum noch und vergessen es dann wieder.
Aber wenn man dann dies alles auf Fotos in zeitlicher Reihe wiedersieht, dann gibt es Aha-Erlebnisse und Veränderungen werden sichtbar.
Das gilt ebenso für die Landschaften in der Stadt, auf dem Land, im Wald und bei Ereignissen bis hin zu sozialen Landschaften mit Kleidung, Haltung etc.
Für die Blogs zur Kunstfotografie und Dokumentarfotografie entwickelte ich daraus neue Fragestellungen.
Mich interessierten vor allem die sozialen Gebrauchsweisen der Fotografie vor Ort im Alltag.
Daraus entstanden dann meine Beobachtungen zur Wahrnehmung von Kameras und Smartphones. Das hat sich ja bis heute völlig umgedreht. Früher wurde man mit einer Kamera kaum wahrgenommen und konnte fast unbemerkt fotografieren, heute erregt eine Kamera viel Aufmerksamkeit, dafür kann man mit einem Smartphone völlig unbemerkt fotografieren.
Ja, so ging dieses Wechselspiel weiter.
Als ich 2014/15 merkte, daß ich der täglichen Fotos genug hatte, beendete ich dieses Thema, das parallel zu artlens, frontlens und streetlens lief.
Was ich an Fotos für wichtig hielt über den Tag hinaus, setzte ich als gerahmte digitale Bilder ins Wupperartmuseum. Ansonsten blieb ich eher bei den Sachthemen in Kunst, Konflikt und Dokumentation.
Aber wie das so ist. Bald schon ergaben sich daraus neue Fragen für mich, weil die Beschäftigung mit diesen Themen in Büchern, Ausstellungen und vor Ort mich natürlich weiterhin beschäftigte.
Schicksalsschläge, Lebensbewältigung und Fotografie als Instrument, um damit umzugehen, als Bewältigungsstrategie und Notizbuch neben dem Text setzten mir die Grenzen, wurden meine Schuhe und mein Kompass.
Obwohl ich kein öffentlicher Mensch bin, war da der Punkt, an dem ich mich entschloß, mir Rechenschaft abzulegen und meine Überlegungen und Sichtweisen in Text und Foto öffentlich zu teilen. Das ging über das Bisherige hinaus. Weil es außer dem Lesen und Fotografieren thematisch nicht so festgelegt ist, nutzte ich die Begriffe dayart und flaneur21, die es zusammen gut ausdrücken.
Ich war überall und nirgends und flanierte durch Themen und Tage und zugleich versuchte ich damit, Denken, Lesen, Leben und Fotografieren als Methoden, Mittel und Teile meiner Existenz als Lebenszeit täglich umzusetzen. In dieser Art ist mein Ziel mein Weg und mein Weg mein Ziel.
Aber das ist ja nicht alles. Parallel veränderte sich auch meine Arbeitsweise an den großen Themen.
Auf dokumentarfotografie.de habe ich 2019 die Kategorie 2020 eingeführt, weil ich letztes Jahr gesehen habe, daß ich zunehmend nur nach hinten blicke und oft darauf verweise, daß klassische Dokumentarfotografie eben für mich das Maß aller Dinge war.
Aber welchen Sinn hat ein aktueller Blog zur Dokumentarfotografie, der die Augen vor der neuen Gegenwart verschließt?
Nur wer sich ändert bleibt sich treu. So fragte ich mich, ob ich auch neu sehen kann, ob ich die neue Gegenwart auch sehen kann und welche Rolle meine bisherige Sichtweise spielt?
Natürlich spielte dabei auch der Umgang mit der eigenen Vergangenheit eine Rolle. Man muß sich umdrehen und nach vorne blicken und nicht zurück. So einfach und doch so schwer ist es.
Ich begab mich auf den Weg und war erstaunt als ich sah, daß ich neu sehen lernen kann.
Natürlich fragte ich mich, welche Rolle dabei Henri Cartier-Bresson spielt.
Eine überzeugende Antwort darauf gab mir Tavis Leaf Glover.
Ich will auch den dokumentarischen Impuls behalten ohne mich neuen Fragen zu verschließen.
Ein Teil der neuen Gegenwart sieht so aus:
„SPIEGEL: Instagram hat die Balance zwischen Erfolg, Ruhm und Qualität verschoben.
Watson: Definitiv. Qualität spielt keine Rolle mehr. Warum sonst bekommt ein Foto von einer Giraffe, die ein Blatt frisst, vier Millionen Likes?“
Genau so ist es.
Fotos sind Sprache als Sprechmittel für den Alltag in sozialen Medien und in diesem Zusammenhang hier nicht mehr Fotografien als Nachfahren der Malerei. Likes beziehen sich auf die fotografisch beschriebene Tätigkeit und nicht auf das Foto als Fotografie.“
Man muß nicht mitmachen aber man muß es als Teil der neuen Gegenwart und der dominierenden sozialen Strukturen akzeptieren.
Dazu gehört für mich auch das Miteinander zu sehen.
Die neuen Fragen ergeben sich also aus der neuen Gegenwart.
Dies zu sehen ist die Voraussetzung für alles danach.
Die Antworten ergeben sich dann aus der Auseinandersetzung mit der neuen Zeit.
Wie blicke ich darauf, was sehe ich, wie gehe ich damit um, welche Rolle spielt dabei die Fotografie als Mittel, Methode und Medium?
Ich habe dazu die Fragen aufgeschrieben, die mir helfen den Weg zu finden.
Aber wo es lang geht werde ich erst beim Gehen und/oder Fotografieren sehen.
In diesem Sinne!