„Sabine Weiss ist die letzte Vertreterin der sogenannten „humanistischen Fotografie“, einer französischen Strömung, zu denen die Werke der Fotografen Robert Doisneau oder Willi Ronis gehören.“
Diese Worte aus einer Ankündigung bei arte machen neugierig.
Robert Doisneau beschreibt sich in einem Film, der aktuell auf arte zu sehen ist, ebenfalls als humanistischer Fotograf, der die Menschen in ihrem Alltag freundlich aufzeichnet, also mehr ist als nur Streetfotografie.
In Berlin gibt es eine Gesellschaft für humanistische Fotografie, die aber fast nur in Berlin aktiv zu sein scheint, zumindest bei Seminaren, wenn ich das richtig lese.
Es scheint sich um einen Dienstleister im Kulturbetrieb zu handeln: „In Ausstellungen, die sie in Kooperation mit Museen und Kulturinstitutionen im In- und Ausland sowie im öffentlichen Raum realisiert, präsentiert sie die Arbeiten renommierter und aufstrebender zeitgenössischer Fotografinnen und Fotografen.“
Es ist bemerkenswert, diese Widersprüchlichkeit zwischen dem französischen Verständnis und der deutschen Gesellschaft zu sehen.
Aber es geht noch weiter.
Madlen Schering hat den Begriff der humanistischen Fotografie in ihrem Buch wieder anders zusammengefaßt und sagt, es handle sich um Fotografie, „die auf poetische und mitfühlende Weise menschliches Leid dokumentiere.“
Und Ingo Taubhorn hat dies alles noch anders gedeutet:
„LFI: Können Sie dem Ansatz „journalistische Fotografie mit humanistischen Anspruch“ etwas abgewinnen?
Ingo Taubhorn: Wie heißt es doch so schön: Humanistische Fotografie ist die Würdigung des Lebens und die Darstellung der außergewöhnlichen Vielfältigkeit gesehen durch das Objektiv des Fotografen. Seit längerem hat die dokumentarische Fotografie Einzug in die Museen gefunden und das Interesse des Publikums ist enorm. Die Menschen möchten etwas von der Welt aus zweiter, aber direkter Hand wissen.“
Was nun?
Ganz einfach!
Die Anschauung ist die Grundlage jeder Erkenntnis.
Also schauen wir uns doch einfach einmal die Fotos an von
Der Kern dessen, was humanistische Fotografie einmal war, wird so deutlich.
Jean-Claude Gautrand hat zum Thema Humanistische Fotografie einen sehr substanziellen Artikel geschrieben. Er spielt mit den Worten humanistische Fotografie und fotografischer Humanismus. Damit ist gemeint, daß es nicht um Ereignisse geht sondern um Alltagsszenen im Leben, die keinen tieferen Zweck haben außer dem, identisch zu sein, also ungestellt und für sich.
Für die humanistische Fotografie war die Fotografie keine Waffe sondern ein Beobachtungsinstrument für das Identische in jedem Moment des Daseins.
Der humanistischen Fotografie ging es in all ihren Ausprägungen wesentlich um zufällige Begegnungen und „symoblische Szenen eines gesellschaftlichen Miteinanders“.
Je nach Definition kann man den Bogen sogar von Cartier-Bressen bis Robert Frank spannen, aber durch Aufweichung wird die Abgrenzung nicht besser.
Die einzige echte Gemeinsamkeit besteht darin, daß auf solchen Fotos immer Menschen zu sehen sind.
Die besten Vertreter bleiben Doisneau, Ronis und Weiss, auf deren Fotos ungeschminkt und ungestellt viele Aspekte zu finden sind ohne jemals bloßstellend oder entlarvend zu sein.
Da können viele Kameranutzer noch was von lernen…
Und als ob dies noch nicht genug wäre, sagt Klaus Honnef Ende 2019 in einem Interview aus Anlaß seines 80. Geburtstags zu Damian Zimmermann:
„Ebenfalls sehr häufig behauptet wird, dass Autorenfotografie humanistisch sei.
KH: Also, ich kenne gar keine humanistische Fotografie. Auch das ist ein Begriff, der völlig abstrus ist und der immer wieder herumgeistert. Was ist eine humanistische Fotografie? Die kann es gar nicht mehr geben, weil es den Humanismus nicht mehr gibt. Der Humanismus ist eine bestimmte Spielart der Philosophie, die sehr relevant war im 15. bis 17. Jahrhundert.“
http://www.damianzimmermann.de/blog/klaus-honnef-und-der-begriff-der-autorenfotografie/
Was soll man dazu noch sagen?