Leidenschaft ist eine Eigenschaft, die Leiden schafft. Weil die Fotografie in Reflexion und Praxis ein Teil von mir geworden ist, habe ich mich sehr damit beschäftigt – mit mir und der Welt beschäftigt.
2010 schrieb ich über das Loch nach der Photokina.
2016 kann ich über das Leid einer Leidenschaft schreiben. Die visuelle Welt mit dem Denken eines Historikers und Sozialwissenschafters zu untersuchen, also Menschen in Geschichte und Gegenwart zu beobachten, ist eine Sache für sich.
Deshalb entschloß ich mich damals, hier mit dem Mut zur Lücke große Entwicklungen und kleine Wahrnehmungen über Jahre hinweg zusammenzufügen, um ein relatives Mosaik öffentlicher und inhaltlich abgegrenzter Themen zu verfolgen. Das waren vorwiegend Streetfotografie als Indikator sozialer Zustände und des Zeitgeistes und soziale Gebrauchsweisen der dokumentarischen Fotografie und die Nutzung von Technik als Ausdruck und Mittel bei diesen Themen.
Daneben entwickelte ich eine rege Praxis realer Dokumentarfotografie als Auseinandersetzung mit der Welt und mit der Zeit, den Ereignissen und Entwicklungen, die mich umgaben und in denen ich steckte.
Das ging auch nur so, weil Theorie ohne Praxis und Praxis ohne Theorie seltsam einseitig und unglaubwürdig sind. Etwas zu leben bedeutet damit zu sein.
Ein erschreckend klarer Artikel entstand dabei, bei dem mir unsichtbare Kräfte die Hand führten und irgendwann die Auseinandersetzung mit dem, was geschehen war und mich (ich mich) fast vernichtet hätte.
Wenn der Idealismus immer nur fließt, ist es so wie mit dem Wasser: man kann nie eine Schale voll davon trinken. Auch hier gilt es, Grenzen zu setzen und den Wesenskern des eigenen Lebens mit dem eigenen Verstand einzusetzen. Ich bin Du war mein Denken, Ich bin Ich wurde mein Weg. Aber da muß man erst einmal hinkommen.
Die Fotografie wurde mein Medium, indem ich entweder selbst fotografierte oder mich mit den Fotos und Gedanken anderer engagierter Menschen auseinandersetzte. Das Denken und das Texten mit Worten machten daraus dann Artikel wie diesen.
Ich schrieb über Dinge, die sozial wichtig sind aber mit denen man kein Geld verdienen kann. Ich weigerte mich, über Ungerechtigkeit zu schweigen und setzte mich so zwischen alle Stühle. Ich habe mich immer eingemischt, weil die Wirklichkeit zu dokumentieren in ihren sozialen Entwicklungen immer auch politisch ist. Ich habe meinen Glauben an die Einsichtsfähigkeit des vernunftbegabten Wesens nicht aufgegeben, aber ich habe auch erkannt, wie die Verhältnisse dominieren. Das Sein bestimmt auch das Bewußtsein. Ich bezahlte dafür einen hohen Preis. Als ich totgeschwiegen wurde merkte ich, daß ich Wirkung habe.
Dokumentieren mit dem Wissen des Historikers und Sozialwissenschaftlers und den Worten des Publizisten und dem Zugang des Pädagogen, also einfach, klar und verständlich.
So kam dies alles hier zusammen, verteilt auf verschiedene Webseiten und sonst nirgendwo zu finden. Fast niemand sah die Zusammenhänge so, noch weniger schrieben darüber und ohne mein Wirken wären viele namenlose Mitmenschen, die für uns stehen und einige unserer Lebenszusammenhänge nicht einmal so sichtbar. Denn der Fotograf ist kein Historiker und der Historiker ist kein Sozialwissenschaftler.
Dieses Nicht-Sein war daher mein Ansatz, so hier zu sein. Die Akademie der Notwendigkeiten machte aus mir dann den mit Fotos und Texten dokumentierenden Publizisten. Es war die Antwort auf das, was keiner sonst beantwortete.
Dass ich damit als eines der ersten digitalen Medien aus diesem Bereich zur Sicherung des deutschen Kulturgutes in die Deutsche Nationalbibliothek kam, tat meiner Eitelkeit gut. Dass ich von vielen mit Fotografie/Dokumentarfotografie/Geschichte beschäftigten Fachbereichen einiger Universitäten oder Fachhochschulen und Verbände gelesen wurde/werde, zeigte mir, daß ich hier neue Wege ging, die hielten. Dass viele meiner Texte ohne Namensnennung für eigene Webseiten einfach kopiert wurden, verdeutlichte mir den Wert meiner Inhalte für den Nutzen anderer Personen.
Ich konfrontierte eigentlich Menschen meiner Zeit (wie Sie gerade) mit dem, was auch ihr soziales Leben ausmacht und entweder nicht gesehen werden wollte oder plötzlich klar erkannt wurde. Das ist für meine Leserinnen und Leser sicherlich genau so anstrengend gewesen wie für mich, weil es die eigene Existenz betrifft, den eigenen Lebensentwurf und die eigene Situation. Damit werden nicht immer Antworten gegeben aber zumindest Fragen aufgeworfen, die sonst nicht gestellt würden. Wir müssen unsere soziale und betonierte Wirklichkeit und ihre Folgen auch sehen lernen. Das ist für eine Demokratie wichtig, damit nicht alles kippt. Sterben und Zerstören geht schnell, miteinander leben nicht wie uns die Menschheitsgeschichte lehrt. Und weil wir den Widerspruch leben, ist keine Antwort auch keine Antwort. Mehr dazu schrieb ich an anderer Stelle.
Doch je mehr ich tat, desto mehr tat ich mir damit an, weil es eben echtes Leben ist. Die Leidenschaft wuchs und das Leiden letztlich auch.
Ich halte es daher für sinnvoll, einfach zwei Jahre nicht weiterzuschreiben und dann zu entscheiden, ob es weitergeht. Es gibt immer viel zu schreiben über das, was schon war und von großartigen Menschen in Bücher und Fotos gepackt wurde und über das, was noch geschehen wird, denn einige suchen heute und morgen danach, weil sie auch mehr verstehen und wissen wollen. So ist es seit Herodot ohne dessen Aufzeichnungen wir so viel weniger wüßten über uns. Insofern ist es ein guter Weg jenseits von Gender und Drittmittelforschung, dafür aber mitten aus dem Leben und heute auch mit Fotos.
Der Worte sind genug gewechselt.
Die aktuelle Saison ist beendet – ich bin wieder unterwegs.
V1.4