Wieso kann man mit der Kamera Distanz aufbauen zu dem, was vor der Kamera geschieht? Wieso kann man damit Selbstreflexion betreiben?
Dazu habe ich eine wunderbare Antwort in einem guten Buch gefunden über Reisen.Fotos von unterwegs hrsg. von Heike Gefrereis von der Schillergesellschaft in Marbach. Natürlich hat dies alles mit Lesen und Schreiben zu tun und dazu gehört eben auch fotografieren und darüber reflektieren – zumindest im 20. Jhrdt.
„Die Aufnahme steht außerhalb der Zone der Empfindsamkeit. Es haftet ihr ein teleskopischer Charakter an; man merkt sehr deutlich, dass der Vorgang von einem unempfindlichen und unverletzlichen Auge gesehen ist. Sie hält eben sowohl die Kugel im Fluge fest wie den Menschen im Augenblicke, in dem er von einer Explosion zerrissen wird. Dies aber ist die uns eigentümliche Weise zu sehen: und die Photographie ist nicht anderes als ein Werkzeug dieser, unserer Eigenschaft.“
Das schreibt Ernst Jünger.
Die Aufnahme nimmt einfach auf. Das ist das Wesen der Fotografie.
Dazu ist der Blick durch den Sucher erforderlich und insofern finde ich diesen Vergleich sehr gut. Ich empfehle sogar sich einmal ein Teleskop zu beschaffen und dadurch zu blicken.
Das ist die Urform des Abstands beim verdichtenden Sehen. Kriegsreporter und andere Fotoreporter berichten oft, daß sie dies alles nur sehend ertragen konnten, weil sie die Linse, das Objektiv, dazwischen hatten und dadurch Abstand gewinnen konnten.
Die Distanz macht es möglich, damit umzugehen. Die Auswahl macht der Fotografierende, die Aufzeichnung als Aufnahme der Fotoapparat, auch wenn er Smartphone heißt.
Besondere Erwähnung verdient in diesem Zusammenhang die fotografische Aufzeichnung des Genozids an den Armeniern durch Armin T. Wegner. Das kommt in dem Buch mit vielen Fotos vor und wurde von mir schon vor Jahren detailliert in einem anderen Zusammenhang beschrieben.
Ohne ihn hätten wir darüber keine echten dokumentarischen Fotos, die für das Sehen der Ereignisse und Vorgänge so wichtig ist.
Und heute?
Was sehen wir und was sehen wir nicht?
Wenn ich nun von der Dokumentarfotografie rüberschwenke zur persönlichen Fotografie, dann hat die Distanz auch da dieselbe Funktion: Reflexion durch Festhalten/Dokumentieren.
Du kannst dich durch Fotos in ein Verhältnis zur Lebenszeit und zur Gegenwart setzen. Diese Momentfotografie gibt dir durch das Tun das Gefühl des Lebens und/oder deiner Existenz eine kreative Kraft durch den Akt des Schaffens von Realität durch Fotos und die Wahrnehmung von dir und mit dir in diesem Moment.
Insofern ist Fotografie eine Möglichkeit existent zu sein im Tun und darüber hinaus kann es dem eigenen Schaffen einen sozialen Ausdruck verleihen oder sogar zur sozialen Einmischung führen, nicht immer politisch aber immer als Ausdruck eigenen Tuns.