Ich bin aufgewachsen in einer klaren Welt. Es war die analoge Welt. Dabei rede ich hier nur über die Welt der Fotografie.
In dieser Welt gab es teure Kameras für Reporter und Zahnärzte, das waren die Leicas. Und es gab Kameras für Sportfotografen und Amateure, das waren die Canon und Nikon Spiegelreflexkameras. Und es gab die Welt der Porträtfotografen, die meistens Mittelformat mit Hasselblad und Co. hatten. Und dann gab es alles, was man als Amateur bei Quelle, Neckermann, in der DDR und bei Kodak und Kollegen für kleines Geld an Kameras kaufen konnte.
Als Video wichtiger wurde entdeckte ich Panasonic und Sony. So lebte ich mit diesen Zuordnungen, mit diesen Imagebildungen im Kopf.
Je mehr digital wurde desto mehr veränderte sich alles. Plötzlich machte Olympus mit Panasonic Digitalkameras, plötzlich gab es neue Arten von Kameras und es wuchs parallel daneben die Welt der Smartphones mit ganz neuen Namen wie Apple, Nokia und Samsung.
Hier zeigte sich dann die Tendenz des Menschen, am Bewährten festzuhalten. So hielt auch ich mich an den alten Namen fest. Leica hatte aber keine bezahlbare Digitalkamera mehr im Programm, Panasonic traute ich nicht jenseits der Videofähigkeiten und Sony war für mich Fernsehen.
Das führte zu Käufen bei den alten Namen.
Dies wurde mir heute bei einem Blick auf einige alte Digitalkameras klar. Heute hatte ich die Lumix DMC-G2 in der Hand. Es ist eine ausgewachsene und gute Digitalkamera, die alles kann, aber eben aus dem Videobereich gedacht wurde. Der Sucher ist elektronisch, das Video gut, die Fotoqualität ebenfalls, und drumherum entstand eine Digitalkamera, die aussieht wie eine Spiegelreflexkamera. Leider knallt sie auch so laut wie damals alle Spiegelreflexkameras. Aber im Ergebnis habe ich dieser Kamera von Panasonic nie so viel zugetraut wie meiner Canon oder Nikon. Das war sachlich falsch und die G2 kann auch heute professionell genutzt werden.
Es hat mit dem zu tun, was ich im Kopf hatte. Unterschwellig wirkte die Imagebildung der anderen Marken als Barriere.
In den letzten Jahren hat sich das bei mir verändert aber ich habe lange gebraucht, um das so zu sehen.
Wie ist es heute?
Neben den älteren Semestern, die noch die analoge Zeit kannten, sind immer mehr jüngere neue Menschen getreten. Diese kennen nur noch digital, so daß das alte Image bei immer weniger Menschen wirkt.
Also gibt es neue Mechanismen. Das ist das Feld der sozialen Gebrauchsweisen der Fotografie.
Beispiel Leica M
Besonders klug finde ich die Vorgehensweise von Leica. Sie bauen gerade eine eigene Welt rund um ihre Produkte. Eigene Kamera, eigenes Zubehör, eigene Webseite, eigenes Forum, eigene Zeitschrift, eigene Wettbewerbe nur mit diesen Kameras. Eben eine eigene Leicawelt. Wer dazugehören möchte muß Eintritt zahlen. Und der ist ziemlich hoch. Im Prinzip sind es immer ca. 10.000 Euro. Aber es wirkt. Natürlich kann man auch mit einer Leica C für 600 Euro rein, doch sobald es um das Fotografieren mit der M geht ist es vorbei. Leider steht M nicht für Mahlke, dann hätte Leica mir bestimmt auch eine Kamera gegeben. So muß ich mich auf den Beobachterstatus zurückziehen und darüber schreiben. Allerdings neigt der Mensch ja dazu, die Neuheit als neue Sucht zu leben. Wenn man etwas hat will man sofort noch mehr davon. Insofern ist das Drumherum und die Kollektion das wirklich Profitable und natürlich die soziale Abgrenzung.
Weil man mit einer Leica auch nur digitale Fotos machen kann, ist das entscheidende Kriterium nicht mehr die Bildqualität. Die ist heute durchgängig bei etwas besseren Kameras ab ca. 200 Euro schon so gut, daß dies kein Kriterium mehr sein kann. Die Bildqualität vorausgesetzt sind heute soziale Merkmale wesentlich. Zugehörigkeit muß man sich erkaufen und Mitreden kann man nur, wenn man dazugehört lauten ihre Regeln.
So sind die sozialen Gebrauchsweisen wesentlich. Und im Fall von Leica gibt es eine Symbiose zwischen Leica und Panasonic, die beiden Firmen gut tut. Denn Panasonic ist höchst innovativ und immer bezahlbar und kooperiert mit Leica, so daß der Käufer oft das Gefühl hat, das beste von zwei Marken zu erhalten und zugleich bei Panasonic einen Hauch von unbezahlbaren M´s. Imagemäßig einfach klasse!
Leica lebt die soziale Nische während die anderen den Massenmarkt bedienen.
Beispiel Fuji X100
Ich erinnere mich noch an die Photokina auf der der Prototyp der Fuji X100 ausgestellt wurde. Lange Schlangen von Wartenden bildeten sich davor. Die Fuji-Manager standen abseits und staunten nicht schlecht. Da war die Photokina noch bezahlbar für alle Fotointeressierten und ein echter Gradmesser für den „Markt.“ Dann brachte Fuji tatsächlich die Finepix X100 auf den Markt, die ein neues Image kreierte und symbolisierte: das beste aus zwei Welten (analog+digital) neu vereint – rechteckig und mit Sucher. Dabei spielte auch die Rückkehr zum recheckigen Design mit Sucher eine Rolle. Der Sucher war ein Hybridsucher, der sowohl optisch als auch elektronisch genutzt werden konnte. Diese Kamera öffnete Fuji den Weg – aber im Ergebnis wurde dann dieser Markt in meinen Augen mit so vielen einfaltslosen Kameras fortgesetzt, daß man sich fragt, was daraus geworden ist.
Wenn Fuji die alten Käuferschichten erreichen wollte, die sich früher eine analoge Leica leisten konnten, dann hätte Fuji die X100 noch mindestens drei Jahre mit Updates pflegen müssen als Musterbeispiel für vertrauensbildende Maßnahmen. In der Zwischenzeit hätte sich dann sicherlich fast jeder Käufer auch nach 30 Monaten den Nachfolger zugelegt. Aber das ist nicht geschehen. Es gab ein gutes Update nach einigen Fummeleien, das aus der Kamera erst eine voll nutzbare Kamera machte und dann war Schluß und ein erster Nachfolger kam, erst S dann T – oh weh!
Mittlerweile machen sie sogar den Fehler und lösen sich wieder von der rein rechteckigen Form und kupfern meiner Meinung nach mehr oder weniger von allen anderen Herstellern das ab von dem sie glauben, es sei gut. Da darf man gespannt sein, wie sich das entwickelt. Statt die alte X100 mit noch mehr Updates noch wertiger zu machen tun sie so als ob Kamerabesitzer heute jedes Jahr tausend Euro ausgeben müssten.
Beispiel Nikon V1
Aber Nikon ist bei dem Versuch einen neuen Sensor und ein neues Kamerasystem zu etablieren, nicht klüger vorgegangen. Die Nikon 1 V1 ist das Beispiel für eine gelungene Umsetzung einer einzigartig gut designten Kamera. Aber natürlich hatte die Kamera Stolpersteine, die per Software hätten gelöst werden können, nachdem die Käufer sie herausgefunden hatten. Was macht Nikon? Statt ein Softwareupdate den Käufern der ersten Serie zu geben, damit sie merken, daß ihr Geld (anfänglich bis zu 1000 Euro für eine Kombi) sich gelohnt hat, passierte quasi nichts. Erst in der kleinen Nikon 1 S1 ist nun die Software zu finden, die man der V1 nicht gab, nämlich die direkte Wahlmöglichkeit von PASM über eine Taste. Dafür ist kein Drehrad erforderlich. Damit hat man die, die sie gekauft haben, ebenso verärgert wie die, die erst mal abgewartet haben. So kann man auch ein Image aufbauen. Mittlerweile wird die 1er ja zu einem Billigheimer, der sich dem Handyzyklus annähert. Das kann nicht gutgehen. Besser wäre die Rückbesinnung und die Imagepflege durch Softwareupdates von der V1 an. Dann würde sich auch eine lebendige Community bilden, die wieder rausgeht und sagt, Nikon tut was.
Was ist all den hier aufgezeigten Beispielen gemeinsam?
Es ist das Thema Feedback. Leica nutzt es und Panasonic auch, Fuji hatte es eine Zeitlang bei der X100 und danach ging es dort ebenso verloren wie bei Nikon nach meinem Eindruck. Faszinierend finde ich, wie viele Millionen nun investiert werden in eher zweifelhafte Versuche statt einfach mal zu lesen was die Anwender sagen – nicht die per Umfrage Befragten sondern die, die eine Kamera gekauft haben und in Foren darüber schreiben oder auf Webseiten und Blogs.
Es gäbe noch viel mehr zu schreiben aber für das Thema Imagebildung und soziale Gebrauchsweisen ist dies ein guter Einstieg.
Bis dann!
Übrigens, dieser Artikel ist eine reine private Meinungsäußerung.