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19/02/201524/09/2015

Streetphotography – Von der Momentphotographie zum entscheidenden Moment

Bernd Stiegler streift in seiner „Theoriegeschichte der Photographie“ viele Aspekte der Theorie des Fotografierens.

Ein Kapitel hat die Überschrift “ Zum Raum wird hier die Zeit: die Momentphotographie“.

Während die ersten Fotografien mit der Lupe angeschaut wurden, weil sie „den Reichtum der sichtbaren Welt“ dokumentierten, wurde die Fotografie zu einem Medium, „das zwischen der unsichtbaren und der sichtbaren Welt vermittelt. Eine wichtige Rolle spielte dabei die sogenannte Moment- oder Augenblicksphotographie.“

Technisch war es möglich geworden, die Belichtungszeiten zu reduzieren.

Und so kam es wie es kommen mußte: der Mensch begab sich auf die Jagd nach dem entscheidenden Moment, wie er dann in der Person von Henri Cartier-Bresson seine immerwährende Verknüpfung fand.

Interessanterweise hatte Henri Cartier-Bresson noch keinen Autofokus zur Verfügung und sah auf dem Display auch nicht das Ergebnis.

Er mußte alles vorher mit Kopf und Auge konstruieren und sich auf seine Einteilung beim Blick durch den Sucher verlassen.

Und Street war erst Passage, eine Art städtische Einkaufszone.

Das Flanieren war die städtische Form des Spaziergangs.

Sie fand in den Passagen statt und wer was auf sich hielt und Aufmerksamkeit erhalten wollte, der nahm sich die neuste technische Errungenschaft seiner Zeit mit. Das war die Kamera.

Es ist identisch zu heute. Wer was auf sich hält nimmt das neuste Smartphone mit oder die neuste Watch oder die neuste GlassBrille oder oder oder.

Das Flanieren damals und die kleiner werdenden Kameras führten dann nach der Augenblicksphotographie in den Passagen mit großen Kameras zur Straßenfotografie mit kleineren Kameras bzw. Kleinbildkameras und natürlich zur Reportagefotografie.

So führte neue Technik zu neuen Sichtweisen und die neuen Sichtweisen führten zu neuen sozialen Gebrauchsweisen der Fotografie. Diese wurden wiederum ausgestellt oder ausgeführt.

Zivilisation kann man kaufen Kultur nicht – sagte man früher. Heute ist vielfach die Kultur das Kaufen?!

Und auch wir müssen uns heute fragen, was aus dem Augenblick und dem Moment in der Fotografie geworden ist. Er wird wohl mittlerweile weniger auf der Straße aufgenommen, dafür werden alle Lebensmomente als visuelle Sprache gezeigt und gespeichert. Aber nicht als Dokumentation sondern als technische Möglichkeit. Das Zeigen ist das Wesentliche und der Austausch von Fotos als Informationen über Dinge und Augenblicke.

Der Augenblick ist also geblieben aber Fotos sind zu einer Sprache geworden, die vielfach das gesprochene und geschriebene Wort ersetzt.

Sprachwissenschaftler haben herausgefunden, dass der „normale“ Mensch  mit ca. 300 Wörtern auskommt. Mehr Wörter bedeutet mehr Möglichkeiten im Kopf, um die Welt differenzierter zu sehen. Insofern wären viele verschiedene Fotos aus der Welt sogar eine Erweiterung seines visuellen Wortschatzes – allerdings Oberflächenwortschatz.

Ich würde mir Fotos mit etwas Politik oder Zivilisationskritik wünschen.

Für Walter Benjamin war der Flaneur ein Kämpfer gegen die zunehmende arbeitsteilige Gesellschaft.

Wer weiß das heute noch?

Ach übrigens, woher kommt eigentlich das Wort streetphotography?

Angeblich kam es bei New Yorker Fotografen in den 60er Jahren auf und wurde als nicht-kommerzielle Fotografie des urbanen Lebens verstanden: „The term ‚Street Photography‘ itself where allocated by some New York photographers in the mid 60s in form of a ’non-commercial photography of the urban life‘ (A. Stelter).

Ob das so stimmt?

Eric Kim bezieht sich auf Colin Westerbeck und schreibt genau das Gegenteil. Es seien Fotografen gewesen, die für Geld Fotos vor Ort  – auf der Strasse – aufgenommen haben.

Aber egal, das Wort ist da und wird genutzt.

Übriegens kann man Streetfotogrrafie auch ganz anders machen wie hier gezeigt.

Und so wollen wir uns der Gegenwart zuwenden und den Momenten, die wir sehen und fotografieren wollen.

Die gibt es heute wie damals:

  • Menschen unter den neuen zivilisatorischen Bedingungen
  • Menschen unter den neuen sozialen Bedingungen
  • Menschen unter den neuen Verhaltensweisen des Miteinanders
  • Menschen im Umgang mit sich und der Welt
  • Menschen bei ihren Lebensversuchen

Und hier wird es interessant.

Denn man kann sich stattdessen auch beim Schminken, Schlafen, Sex, auf der Toilette oder beim Essen fotografieren oder Selfies ohne Ende machen.

Stattdessen?

Falsch gedacht von mir. Das ist ein Bereich der sozialen Gebrauchsweisen der Fotografie als Mittel der direkten Kommunikation und emotionalen Kultur mit sich selbst.

So ist die Fotografie ein Medium mit viel Potential.

Erkenne dich selbst bekommt eine mehrfache Bedeutung.

In diesem Sinne – erkenne dich selbst!

Text 1.1

 

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“Man sieht, was man am besten aus sich sehen kann.”

C. G. Jung

„Die Wirklichkeit jedoch kann nur von dem Blickpunkt aus betrachtet werden, der einem jeden innerhalb des Alls vom Schicksal zugewiesen ist.“

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„… dass die Kunst auch eine Aufgabe hat, indem sie den Teil der Wirklichkeit beschreibt, den wir am liebsten verdrängen wollen.“

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„Kunst ist Propaganda für die Wirklichkeit und wird daher verboten.»

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“ Jeder kann knipsen. Auch ein Automat. Aber nicht jeder kann beobachten. Photographieren ist nur insofern Kunst, als sich seiner die Kunst des Beobachtens bedient. Beobachten ist ein elementar dichterischer Vorgang. Auch die Wirklichkeit muss geformt werden, will man sie zum Sprechen bringen.“

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„Die Mutter der nützlichen Künste ist die Noth; die der schönen der Ueberfluß. Zum Vater haben jene den Verstand, diese das Genie, welches selbst eine Art Ueberfluß ist, nämlich der der Erkenntnißkraft über das zum Dienste des Willens erforderliche Maaß.“

Arthur Schopenhauer

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