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19/04/2016

Warum das Lesen so wichtig für das Fotografieren ist

Wenn deine Bilder nicht gut genug sind, dann liest du nicht genug – „If your pictures aren’t good enough, you aren’t reading enough“ – Tod Papageorge

Durch dieses Zitat wurde mir dieser Zusammenhang bewußt.

Interessanterweise wurde Tod Papageorge, studierter Spezialist für englische Literatur, dies alles bei der Streetfotografie bewußt.

Lesen bedeutet hier dann eben nicht die Bedienungsanleitung zu lesen sondern etwas ganz anderes.

Ich möchte dies an einem Beispiel deutlich machen:

„Jedenfalls leben wir in einer Welt des Leidens, in der das Böse grassiert, in einer Welt, die unser Dasein nicht bestätigt, in einer Welt, der wir widerstehen müssen. In dieser Situation gibt uns der ästhetische Augenblick Hoffnung. Daß wir einen Kristall oder eine Mohnblume schön finden, bedeutet, daß wir weniger allein sind, daß wir tiefer in die Gesamtexistenz einbezogen sind, als es uns der Ablauf eines einzigen Lebens glauben lassen würde… Alle Ausdrucksformen der Kunst haben sich aus dem Versuch entwickelt, das Augenblickliche in das Immerwährende umzuwandeln.“

Diese Sätze stammen von John Berger, der Essays in einem Buch mit dem Titel Understanding a Photograph publizierte. Dies führte mich zu seiner Essaysammlung Das Sichtbare & Das Verborgene, aus dem diese Gedanken sind.

Diese Gedanken setzten sich in mir fest.

Ich wäre selbst nie darauf gekommen.

Sie öffneten mir einen neuen Blick, was und wie ich die Welt sehen konnte.

Fotos entstehen im Kopf und wir sehen nur, was wir sehen können, weil wir es wahrnehmen, also gedanklich einordnen können.

Und so wurde mir auch klar, warum ich fotografiere und wie meine Fotografie aussieht und wann sie keine Kunst ist und wann doch.

So verändert das Lesen Einstellungen, öffnet neue Horizonte und ist Teil der fotografischen Erschließung der Welt in der eigenen Lebenszeit.

Was wäre passiert, wenn ich dies nicht gelesen hätte?

Ich würde anders denken und anders sehen und andere Zusammenhänge fotografieren.

Ich würde vielleicht sogar anderen Ansprüchen genügen oder mich fragen, wieso mir die Spur fehlt, um dorthin zu gelangen, wo ich so fotografieren kann wie ich es für richtig halte.

Man kann auch einfach mit dem Handy loslegen ohne nachzudenken und ohne zu lesen.

Aber für mich hat Lesen und Fotografieren in dieser Weise den Vorteil, mir durch meine Welt eine mentale Straße zu bauen, die mir jedes Mal neu die Möglichkeit gibt, da zu sein wo ich den Moment er-lebe.

Doch ich habe an dieser Stelle nicht aufgehört zu lesen. Und an einer anderen Stelle im Netz fand ich dann etwas, das nicht unerwähnt bleiben sollte in digitalen Zeiten.

„Vor dreißig Jahren schrieb ich eine Serie von Liebesgedichten, und ich wollte, dass jedes Gedicht auch eine fotografische Entsprechung habe, ein Landschaftsbild. Also lernte ich zu, wie man eine Kamera bedient und Fotos schießt. Ich machte meine Bilder und veröffentlichte das Buch, und auch danach fuhr ich für etwa zweieinhalb Jahre fort, zu fotografieren. Doch auf einmal hörte ich auf und verschenkte meine Kamera. Weil ich entdeckte, dass das Fotografieren mich davon abhielt, etwas lang genug zu betrachten.“

Das stammt auch von John Berger.

Hätte ich es nicht gelesen, hätte ich mir nicht die Frage gestellt, ob es auch bei mir so ist?

Die Antwort lautet aktuell Nein.

Ganz im Gegenteil! Ich schaue durch das achtsame Wahrnehmen genauer hin, weil ich einfach zulasse im Moment zu sein. Insofern ist für mich die „Suche“ nach dem Motiv durch Wahrnehmen ohne zu suchen Voraussetzung, um etwas bewußt zu betrachten.

Ob dies so bleibt wird sich zeigen.

Dies alles wäre ohne zu lesen für mich weder sichtbar noch lebbar. Insofern gehören für mich das Lesen und die Fotografie zusammen, um im Moment zu sein.

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Arthur Schopenhauer

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