Ab und zu lohnen sich kurze Notizen zu eigenen Beobachtungen um mich herum und in anderen Medien:
Vom Selfie zum Selfie-Stick Verbot
Einbeinstative und kleine Stative gibt es ja schon länger. Seitdem die Kameras in immer mehr Smartphones eingebaut worden sind hat sich was verändert. Immer mehr Menschen kaufen sich einen sog. Selfiestick, also ein kleines Schraubstativ oder Klemmstativ, um sich selbst aufnehmen zu können.
Das wird an immer mehr privaten Orten verboten. Früher bat man andere oder Bekannte, doch einmal ein Foto zu machen. Wieso fragt man heute andere Menschen nicht mehr?
Aber dies ist nur eine mögliche Betrachtung. Fest steht, daß sehr genau zwischen sozialen Handlungen (sozialen Gebrauchsweisen der Fotografie) unterschieden wird: Wer eine Stange für das Smartphone oder die Kamera mit sich trägt erhält Verbote, wer eine Kamera mit Klappdisplay am ausgestreckten Arm hält, hat nichts zu befürchten. Und wer eine andere Person bittet auch nicht.
Hat Leica Cartier-Bresson überwunden?
Aktuell gibt es eine Lenny Kravitz Ausstellung bei Leica. Und es gibt eine Sonderedition von Leica. Das knüpft alles an einen Teil der Motive an, die Henri Cartier-Bresson als ein Protagonist von Leica hatte. Mir scheint mit den aktuellen Handlungen hat Leica die Zuordnung zu Cartier-Bresson endgültig überwunden.
Das hat ja alles mit gestalteter Fotografie und entscheidenden Momenten nichts mehr zu tun. Was da an Menschen mit anderen Kameras von Lenny Kravitz mit einer Leica aufgenommen wurde hätte in meinen Augen mit fast jeder Kamera aufgenommen werden können.
Wofür brauche ich eine sehr teure Kamera mit einem sehr lichtstarken Objektiv, wenn nicht zur Gestaltung mit Bokeh, Vordergrund und Hintergrund etc.?
Sonst reicht auch eine kleine Kompaktkamera, wenn es um alles scharf von vorne bis hinten und Geschwindigkeit geht. Die ist dann sogar vielfach besser.
Fotografisch ist Leica damit beim Smartphonebesitzer angekommen – ein großer Markt, weil dies zusammen mit der Zuordnung zu dieser Person Leica neue Zielgruppen ermöglicht.
Es sind Personen, die sich mit diesem Umfeld, Denken oder Aussehen identifizieren und sich sozial annähern möchten. Das kann man sich jetzt kaufen zu Leica-Preisen. Im Prinzip ist dies die kluge Anerkennung der Realität durch Leica. Leica Kameras machen auch nur digitale Fotos. Aber so eine Leicakamera zu haben wie mein Idol oder meine Vorbilder ist ein gutes Identifikationsobjekt. Die Zuordnung zu entscheidenden Momenten, geometrischer Gestaltung und klassischen Kriterien des Spiels mit Vordergrund und Hintergrund, Lichtstärke und speziellen Momenten ist aufgehoben. Auf dieser Ebene fast PR-genial ist dann, daß die Kamera schon beim Kauf so aussieht wie vom Profi genutzt.
Der schöne Schein als echtes Sein ohne echt zu sein. Das erinnert an die kaputtgeschnittenen Jeans, die viel teurer waren als neue Jeans.
Die Ära Cartier-Bresson scheint überwunden. Überspitzt würde ich nun meinen: Leica steht heute für soziale Unterschiede und nicht für die besten Fotos durch Leica-Equipment.
Hat sich Filtermix Fotografie durchgesetzt?
Vor einigen Jahren gab es noch Debatten darüber ob man Filter oder HDR im Fotojournalismus nutzen darf.
Das ist heute in der Praxis der Printmedien eindeutig mit Ja beantwortet worden.
Und online gibt es schon länger kein Verbot mehr. Journalismus online heute bedeutet den fast uneingeschränkten Einsatz von Filtern in der Fotografie. So haben sich manche Debatten von allein durch die Nutzung der neuen Technik beantwortet.
Der Trend wird sich fortsetzen. Meiner Einschätzung nach wird dies zu einer neuen Metaebene führen. Das bedeutet weil jeder heute digital die Fotos filtert, wird die Unterscheidungskraft darin liegen, daß man sein eigenes Produkt einer Filterart zuordnet, die kennzeichnend oder trendy ist. Daraus ergibt sich dann die temporäre Abgrenzung.
Aber die neue Art Fotos zu bearbeiten und zu gestalten mit einfachen Mitteln führt auch zu Veränderungen im Fotojournalismus und zum Kaufverhalten von Kunden.
Desillusionierung im Fotojournalismus – Die Wirklichkeit wird immer billiger
Als ich den Artikel „Die Wirklichkeit als Verlustgeschäft“ schrieb kam darin auch die Agentur laif vor. Sie veränderte damals Teile ihres Geschäftsmodells. Nun sind wir weiter und die Agentur laif wurde verkauft an ddp-images.
Wie sagt Peter Bitzer zu Andreas Herzau?
„Aber Du hast recht, es wird immer schwerer. Und ob man erfolgreich Preise verteidigen kann, hängt ganz wesentlich natürlich von der Qualität der Bilder ab ! Wenn es diese Bilder so oder ähnlich woanders billiger gibt, dann hast Du keine Chance. Exklusive Preise verlangen exklusive Bilder. “
Bleibt die Frage, wer will exklusive Bilder wofür?
Doch nur der, der sich davon Gewinn erwartet. Das ist in der Presselandschaft von heute sehr schwierig weil die exklusiven Erstaufnahmen von Ereignissen meistens vom Handy stammen, das gerade dabei war. Es fehlen die Kunden. Die kommerzielle Nutzung von Fotos hat sich verändert und die soziale Gebrauchsweise der Fotos im Bildjournalismus auch. Die Auswirkungen sind nach den USA und Großbritannien nun auch mitten in Deutschland angekommen.