Bald ist wieder photokina. Wußten Sie, daß es sich um eine Messe mit einer interessanten Geschichte handelt?
Wenn nicht möchte ich Ihnen etwas davon erzählen.
Jörn Glasenapp hat dies in seinem Buch Die deutsche Nachkriegsfotografie so formuliert:
„Der Ort, an dem die fototechnischen Innovationen der Öffentlichkeit präsentiert wurden, war vorzugsweise die photokina, die innerhalb der wirtschaftlichen wie kulturellen Reorganisation der deutschen Fotografie als ein Faktor von kaum zu überschätzender Bedeutung betrachtet zu werden verdient und infolgedessen an dieser Stelle genauer vorgestellt werden soll.
1950 das erste Mal auf dem im Krieg fast völlig zerstörten Kölner Messegelände veranstaltet und zunächst noch unter dem Namen »Photo-Kino-Ausstellung« beziehungsweise »Phokina« firmierend, verdankt die Schau ihre Entstehung zu großen Teilen der Initiative Bruno Uhls, dem damaligen Vorsitzenden des Verbandes der Deutschen Photographischen Industrie und kaufmännischen Direktor bei Agfa. Uhl gehörte bereits seit zwei Jahrzehnten, und zwar als Vorstandsmitglied im Reichsverband der deutschen fotografischen Industrie und Mitglied im Werberat der Deutschen Wirtschaft, zu den zentralen Persönlichkeiten innerhalb der Fotoindustrie, womit er beispielhaft die allenorten anzutreffende personelle Kontinuität belegt, die zwischen der westdeutschen und der NS-Fotowirtschaft bestand. »Viele der in den dreißiger Jahren an maßgeblicher Stelle arbeitenden Führungskräfte«, schreibt Derenthal, »waren auch nach dem Krieg in gleichem Rang wieder tätig geworden.« Er unterstreicht somit einen Aspekt, der bekanntlich auch für die anderen gesellschaftlichen Teilbereiche der jungen Republik als konstitutiv angesehen werden darf.“
Agfa Photo ist heute nur noch eine Vertriebsmarke.
Doch das ist nicht alles. Er schreibt weiter:
„Dass die bundesrepublikanische Politik diese Zielsetzung teilte und sie zudem die Bedeutung der Messe-Novität erkannte, bewies nicht zuletzt die Eröffnung der Messe am 6. Mai 1950 durch Ludwig Erhard, der die Veranstaltung, deren Ausrichtungsort, das Messegelände, nur wenige Jahre zuvor noch als KZ-Außenlager zweckentfremdet worden war, als »Krönung« der westdeutschen Wirtschaftsanstrengungen würdigte….
»Das durch den schnellen wirtschaftlichen Gesundungsprozeß beförderte Gefühl, mit deutscher Wertarbeit und Wirtschaftskraft Maßstäbe zu setzen und zur Weltspitze zu gehören, schuf […] Kompensation für den Verlust des Gefühls politischer und ›rassischer Auserwähltheit‹.«
Mit diesen Worten beschreibt Detlef Garbe ein in den fünfziger Jahren immer wieder anzutreffendes Muster, mit der jüngeren Vergangenheit, insbesondere aber mit der Identitätskatastrophe des verlorenen Krieges, der Umerziehungszumutung und der Besatzungszeit umzugehen. … Man beginge einen gravierenden Fehler, wenn man die Bedeutung der photokina allein von einem fotowirtschaftlichen Standpunkt aus bemäße. Dies nämlich würde implizit die Tatsache unterschlagen, dass die Messe von Beginn an gewissermaßen ›zweigleisig‹ ausgerichtet war, das heißt, dass sie neben dem klassischen Messeteil auch mit einem umfangreichen Ausstellungsteil aufwartete, dem »andere[n] Pol der Schau […], ohne den die Messe unvollständig, in gewissem Verstand sogar sinnlos wäre«, wie es 1958 in Leica-Fotografie hieß. Dem Publikum die breite Palette der Einsatz- und Wirkungsgebiete der Fotografie, sei es in der Schule, der Wissenschaft, der Industrie oder der Kunst, vor Augen zu führen, war das Ziel dieses ›anderen Pols‹, der – daran besteht kein Zweifel – in ganz erheblichem Maße zur Beliebtheit der photokina beitrug. Hierbei ist in Rechnung zu stellen, dass im frühen Nachkriegsdeutschland die Chance, Fotoausstellungen zu besuchen, äußerst gering war, denn nicht zuletzt, da es damals kaum Museen gab, die einen eigenständigen fotografischen Sammelbereich hatten, wurde nur eine Handvoll Schauen organisiert.“
Natürlich hat Jörn Glasenapp viel mehr geschrieben. Ich habe hier lediglich einige Sätze zitiert, die die Richtung weisen. Aber darauf kommt es mir auch an.
Welchen Wert hat die Photokina heute?
Sie ist keine Leistungsschau der deutschen Wirtschaft mehr sondern eine Leistungsschau der gesamten Fotowirtschaft von der nur noch wenig in Deutschland geblieben ist.
Die alten Nazis sind tot, anders ausgedrückt die alten Deutschen sind tot und die Welt ist heute vernetzt.
Die großen Fotoausstellungen, die noch bis vor wenigen Jahren Bestandteil der Photokina waren, sind im Überangebot von Fotoausstellungen in fast jedem Museum und fast jeder größeren Stadt fast komplett verschwunden.
Und nun?
Nun sind wir in einer neuen Zeit.
Immer mehr Kameras in immer mehr Geräten. Das Thema Fotografie lebt und die Photokina auch.
Und die Profis der Trendforschung (die auch mal daneben liegen können) haben sich in einer Pressemitteilung Ende 2015 u.a. so geäußert:
„photokina 2016: Imaging unlimited – Neues Konzept, neue Kampagne
Gut acht Monate vor der photokina, der internationalen Leitmesse für die gesamte Foto-, Video- und Imagingbranche, präsentieren die Veranstalter ein neues Konzept sowie eine neue Kampagne für die Messe. Unter dem Claim ‚Imaging unlimited‘ soll sich die photokina weiter zu einem Content- und lösungsorientierten Event entwickeln. „Die photokina steht für die unbegrenzten Möglichkeiten des Imaging. Durch Smartphones und Tablets ergeben sich neue, bildbegeisterte Zielgruppen, die wir mit dem Konzept erreichen wollen“, so Katharina C. Hamma, Geschäftsführerin der Koelnmesse GmbH. „Das Konzept schöpft das gesamte Potenzial der Imaging-Branche aus und bietet im sich wandelnden Imaging-Umfeld Chancen für ein nachhaltiges Wachstum.“ Der Photoindustrie-Verband e.V., Mitveranstalter der photokina, zeigt sich ebenso überzeugt. „Mit der Neuausrichtung und ihrer Fokussierung auf Zukunftsthemen und strategische Wachstumsfelder der Branche, haben wir die Weichen für den Ausbau und die Stärkung der photokina als internationale Leitmesse gestellt“, so Christian Müller-Rieker, Geschäftsführer des Verbandes. Sichtbar wird das Konzept zunächst durch die neue Werbe-Kampagne, die durch einen frischen, dynamischen Auftritt überzeugt. Die Farbwelt und das Key Visual bringen dies bildstark zum Ausdruck. Der neue Auftritt ist bereits online unter www.photokina.de zu sehen. Flankiert wird der neue Werbeauftritt durch PR-Maßnahmen, Social-Media-Aktionen und Events, die bereits vor der Messe aufmerksamkeitsstark in der Stadt Köln präsentiert werden.
Fotografiert und gefilmt wird heute immer und überall. Jeder der ein Smartphone, ein Tablet oder natürlich auch eine Kamera besitzt, kann seine Welt unbegrenzt in außergewöhnlichen und spannenden Bildern festhalten. Mit ‚Imaging unlimited‘ und dem neuen Key Visual bringt die photokina genau das zum Ausdruck. Die Farbwelt in Rot und Cyan gibt der Veranstaltung einen dynamischen, frischen Auftritt. Die beiden Farben stehen im Kontrast zu einander und erzeugen durch ihre Gegensätzlichkeit höchste Leuchtkraft und Farbwirkung. Das Spannungsfeld unterstreicht das Grenzenlose des Claims „Imaging unlimited“. Die Kampagne und der Claim wurden von der Kölner Agentur Webguerillas entwickelt und umgesetzt.
Um das neue Konzept der photokina in die breite Öffentlichkeit zu tragen und die Messe stärker erlebbar zu machen, sind Events in der Stadt und auf der photokina sowie neue Themen geplant. Bei Live Performances, in der Copter World oder der Action Hall haben die Besucher die Möglichkeit, selbst Teil von „Imaging unlimited“ zu werden und neue Kamera-, Film- und Fototechniken auszuprobieren. Das Thema Bewegtbild rückt im Rahmen eines Kurzfilmfestivals und durch Kooperationen mit Influencern aus der Branche, wie zum Beispiel den aus YouTube bekannten AlexiBexi, in den Fokus. Die Stadt Köln wird die Messe darüber hinaus mit einem photokina Festival in Form von Fotoaktionen, Workshops und Großprojektionen feiern.“
Die Photokina will weiter die internationale Leitmesse bleiben in der neuen Welt, die Orientierung braucht.
Da dürfen wir gespannt sein.
Einige Gedanken dazu finden sich hier.